Medieninformation vom 27.02.2017

Entschädigungsansprüche von Agrargemeinschaften und deren Mitgliedern gegen Gemeinden wegen (angeblicher) verfassungswidriger Enteignung durch die TFLG-Novellen 2010 und 2014 - keine Zuständigkeit der Agrarbehörde für derartige Ansprüche.

Seit 2008 hat die Agrarbehörde mehrfach festgestellt, dass im Zuge historischer Regulierungsverfahren Gemeindegut rechtswidrig auf Agrargemeinschaften übertragen wurde. Bei derartigen „atypischen Gemeindegutsagrargemeinschaften“ ist trotz dieser Eigentumsübertragungen der Anspruch der jeweiligen Gemeinde auf den Substanzwert nicht untergegangen.

Die am 1. Juli 2014 in Kraft getretene TFLG-Novelle LGBl Nr 70/2014 sichert - ergänzend zur TFLG-Novelle 2010 - den Substanzanspruch der Gemeinden dadurch, dass die Bewirtschaftung der Substanz der Grundstücke des atypischen Gemeindegutes einschließlich aller Dispositionen über Substanzerlöse und das gesamte vorhandene Vermögen der Agrargemeinschaft zur Gänze auf den Substanzverwalter übergingen.

Ca 100 Agrargemeinschaften und deren Mitglieder haben im Juni des Jahres 2016 bei der Agrarbehörde den Antrag gestellt, die jeweilige Gemeinde schuldig zu erkennen, ihnen eine Entschädigung zu leisten. Die Forderungen belaufen sich auf mehrere 100 Millionen Euro.
Die Antragsteller begründen ihren Anspruch damit, dass die TFLG-Novelle 2014, teilweise bereits die TFLG-Novelle 2010, ihnen Eigentumsrechte - nämlich der jeweiligen Agrargemeinschaft das Eigentum an den agrargemeinschaftlichen Grundstücken und den Agrargemeinschaftsmitgliedern die Substanz ihrer Nutzungsrechte - entzogen hätte. Dieser massive Eingriff in ihr grundrechtlich geschütztes Eigentumsrecht sei verfassungs- und völkerrechtswidrig ohne Zuerkennung einer Entschädigung erfolgt.

Die Agrarbehörde hat in ihren Entscheidungen festgehalten, dass die Antragsteller ihre gegenüber den Gemeinden geltend gemachten Ansprüchen auf eine angeblich durch den Landesgesetzgeber erfolgte entschädigungslose Enteignung ihrer Eigentumsrechte stützen würden. Sie behaupteten damit die Verfassungswidrigkeit der mit der TFLG-Novelle 2014, teilweise bereits mit der TFLG-Novelle 2010, in Kraft getretenen gesetzlichen Änderungen. Für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen sei allerdings ausschließlich der Verfassungsgerichtshof zuständig.
Dementsprechend hat die Agrarbehörde die Anträge der Agrargemeinschaften und deren Mitglieder wegen Unzuständigkeit als unzulässig zurückgewiesen.

Gegen die Zurückweisung ihrer Anträge haben alle Antragsteller Beschwerde erhoben. Das Landesverwaltungsgericht hat nunmehr über die ca 100 anhängigen Beschwerden entschieden und die Entscheidungen der Agrarbehörde im Wesentlichen mit folgender Begründung bestätigt:

Bei den von den Agrargemeinschaften und deren Mitgliedern gegenüber den Gemeinden geltend gemachten Entschädigungsbeträgen handelt es sich um geldwerte Leistungen und damit um vermögensrechtliche Ansprüche. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit diesen Ansprüchen setzt eine Prüfung der Verfassungskonformität der Bestimmungen der TFLG-Novellen 2010 und 2014 voraus. Eine solche Prüfung fällt aber gemäß Art 140 Bundes-Verfassungsgesetz in die ausschließliche Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes. Das TFLG 1996 enthält folglich auch keine Vorschrift, aufgrund derer die Agrarbehörde zuständig wäre, über die von den Agrargemeinschaften und deren Mitgliedern gegenüber verschiedenen Gemeinden geltend gemachten Ansprüche zu entscheiden. Dementsprechend hat das Landesverwaltungsgericht die Beschwerden gegen die Entscheidungen der Agrarbehörde als unbegründet abgewiesen.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol weist - insbesondere unter Berücksichtigung des zuletzt ergangenen Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 13.10.2016, Zl G 219/2015-28 - ergänzend daraufhin, dass im Zuge früherer Regulierungen Gemeindegut verfassungswidrig in das jeweilige Eigentum der beschwerdeführenden Agrargemeinschaften übertragen wurde. Der den Gemeinden zustehende Substanzwert bestand allerdings weiterhin und hat sich in ein entsprechendes Anteilsrecht umgewandelt. Die TFLG-Novellen 2010 und 2014 haben somit keine Übertragung von Eigentumsrechten von den Agrargemeinschaften und deren Mitglieder auf die jeweiligen Gemeinden bewirkt.

zum Volltext der "Leitentscheidung"